Toni Lötscher kann ein Jubiläum feiern. Der Molkerist und Käser braut seit zehn Jahren an der Solothurnstrasse das begehrte Grenchner Bier Granicum.
Angefangen hat alles eigentlich sogar schon vor mehr als zehn Jahren: Toni Lötscher führte an der Solothurnstrasse von 1983 bis 1997 eine Molkerei und Käserei. «Der Molkereibetrieb war irgendwann nicht mehr rentabel, also überlegte ich mir, wie man die Anlage sinnvoll weiterbetreiben könnte.» Zu dieser Zeit schossen immer mehr Brauereien aus dem Boden, vor allem kleine Betriebe, die für ein lokales Publikum ihr spezielles, lokales Bier brauten, wie die Brauereien «Seeland Bräu» im «Lago Lodge» in Biel und das «Öufi Bier» in Solothurn. «Das interessierte mich. Von Beruf her bin ich Molkerist und Käser, der Umgang mit den Rohstoffen ist mir vertraut», meint der 62-jährige Lötscher. Die Rohstoffe für Bier seien allerdings einfacher zu beschaffen, als diejenigen für Molkereiprodukte.
«Selber trinke ich gerne Bier, von daher lag es nahe, mich näher mit dem Thema zu befassen und selber anzufangen, Bier zu brauen. Ich musste aber zuerst abklären, ob die Umstellung aufs Bierbrauen mit der bestehenden Anlage machbar und finanzierbar war.» Sie war machbar. Lötscher musste nur kleine Investitionen tätigen und begann 2003 mit ersten Tests. 2004 war es dann soweit: Lötscher konnte seine ersten Flaschen selbstgebrautes Bier verkaufen. In den ersten Jahren arbeitete er allerdings weiter auf dem angestammten Beruf in einer Teilzeitanstellung bei der Molkerei Zaugg in Biel.
30 000 Liter für spezielle Kunden
Inzwischen produziert Lötscher pro Jahr rund 30 000 Liter des Gerstensaftes, rund 10% werden in Flaschen abgefüllt, der Rest in 20 Liter Fässern. Nur eine besondere Klientel kommt in den Genuss des Granicums, da Lötscher keine Grossverteiler beliefert, sondern eher für kleine und spezielle Gelegenheiten, wie Geburtstagsfeiern oder regionale Anlässe, wie den Bettlebier-Oobe, das Zähnteschüürfest und – jetzt gerade aktuell – das Bildhauersymposium in Büren, produziert. Lötscher beliefert auch nur eine «Beiz» in Grenchen, nämlich die «Musigbar», die bis letztes Jahr im Haus gleich nebenan untergebracht war und ein paar Häuser weitergezogen ist. «Andere Restaurants würden ebenfalls gerne das Granicum verkaufen, aber sie wünschen Flaschen. Und für eine Grossproduktion mit Flaschenabfüllung bin ich nicht eingerichtet.»
Eine spezielle Gruppe, der Lötschers Biere speziell gut munden, kommen aus der Kunstszene. Der in Solothurner wohnhafte slowakisch-schweizerische Künstler Pavel Schmidt, bekannt durch diverse Ausstellungen und Träger des Kulturpreises 2013 der Stadt Biel, gestaltete sogar die Etikette, die fast jede Flasche Granicum ziert: David von Michelangelo und Venus von Milo geben sich die Ehre. Schmidt und seine Freunde sind auch gern gesehene Gäste im Brauereikeller, dem früheren Käsekeller. Durch ihn sei er zum ersten Mal mit Künstlern und ihrer Welt in Berührung gekommen, sagt Lötscher.
«Das hat mir die Tore in diese doch sehr spezielle Welt geöffnet.» So liefert er beispielsweise jedes Jahr an Pfingsten ein paar hundert Liter des Granicums nach Orvieto in Italien. Dort in der Nähe gründete der Schweizer Künstler Paul Wiedmer 1997 den Skulpturengarten «La Serpara». Der Garten wächst jedes Jahr weiter, einerseits durch die eigenen Arbeiten Wiedmers, andererseits durch Skulpturen, welche eingeladene Künstler aus der Schweiz, Italien und Deutschland vor Ort realisieren, so auch Pavel Schmidt. Und jeweils bei der jährlichen Eröffnung schenkt Lötscher dort sein Grenchner Bier aus und kommt mit Künstlern, Kunstliebhabern und Kunsthändlern in Kontakt. «Durch diesen Zugang zur Kunst habe ich gelernt, dass es noch etwas anderes gibt, als Umsatz», sagt Lötscher, der auch jeweils bei Vernissagen im Kunsthaus Grenchen und anderen Anlässen in der Kunstszene sein Bier zapft.
Auch im alten Gaswerk in Schlieren, wo sich Künstler in Ateliers niedergelassen haben, wird im kleinen Restaurant das Granicum angeboten. «Es ist schon speziell, wenn man Künstler kennenlernt, die oft nicht wissen, wie sie ihr Mittagessen finanzieren sollen. Und plötzlich kommt ein reicher Mäzen und kauft ihnen gleich mehrere Werke ab. Das wird dann gefeiert und der schöne Moment darf nie zu Ende gehen, wenigstens bis in die frühen Morgenstunden nicht», sagt Lötscher schmunzelnd.
In der Brauerei an der Solothurnstrasse verkehren nach Feierabend hauptsächlich Gewerbetreibende und Beamte im kleinen Keller mit nur 12 Plätzen und der kleinen Bar. Bedient werden sie von Rita Christ, der guten Fee des Hauses, wie Lötscher sagt, und ihm selber. Ab und zu helfen auch Familienmitglieder aus. Aber die Platzverhältnisse sind eng. «Ich stosse jetzt, nach 10 Jahren, wieder an Grenzen», sagt Lötscher, denn der Ausschank und das Lager sind zu klein. Besonders in den Monaten Mai, Juni, August und September, wo die Nachfrage am Grössten ist, bekomme ich Lagerengpässe.»
Das Bier muss nach dem Brauvorgang vier bis sechs Wochen reifen und wird dann innerhalb von 12 Wochen verkauft.
Spezielles Jubiläumsbier
Insbesondere wird es dann eng, wenn Lötscher noch spezielle Biere braut, wie aktuell gerade sein eigenes Jubiläumsbier und ein Bier zu Ehren des Grenchner Tagblatts, das in diesem Jahr das 125 Jahr-Jubiläum feiert.
Fürs eigene Jubiläum am 5. und 6. September plant Lötscher ein Bierfest im Hinterhof der Brauerei mit Musik und passender Verpflegung: Zu den 5 Bieren – dem hellen und dem dunklen Granicum, dem Jubiläumsbier, einem Rauchbier und einem Weizenbier – gereicht man Bretzel und Weisswurst, Grilladen sowie kubanische Spezialitäten, das Ganze musikalisch untermalt von den «fidelen Clochards» und «Tiroler Aschi».
Zuvor macht Brauer Lötscher aber erst einmal Ferien und will nach Belgien fahren. «Ich möchte dort verschiedene Biere degustieren. Denn im Gegensatz zu Deutschland herrscht in Belgien kein Reinheitsgebot und man darf Biere mit verschiedenen Zutaten veredlen oder verfeinern – wie in der Schweiz übrigens auch.» Das heisse auch, Ideen für zukünftige Produkte zu sammeln.